Das Nudelholz

 

 

 

Es war nicht mehr lange bis Weihnachten und der Tischler hatte noch kein Geschenk für seine Frau. Lange hatte er darüber nachgedacht, was er ihr auf den Gabentisch legen konnte. Es waren schwere Zeiten. Die Wirtschaftskrise hatte überall in Deutschland ihre Spuren hinterlassen. Aus dem kleinen Dorf in der Colbitzer Heide waren viele nach Magdeburg oder gleich nach Berlin gezogen. Sie hofften, dort Arbeit zu finden. Aber die Nachrichten von den Freunden waren nicht sehr erbaulich. So harrte der Tischler weiterhin in dem kleinen Dorf aus, auch wenn die Aufträge immer weniger wurden.

 

An diesem Weihnachtsfest aber wollte Walter die drückenden Sorgen wenigstens für einen Tag vergessen. Und so machte er sich geschäftig daran, ein Nudelholz herzustellen. Es sollte ein schönes Küchenwerkzeug werden, nützlich und hübsch anzusehen. Nicht so ein liebloses Industrieprodukt, wie man es in den bunten Katalogen bestellen konnte, die seine junge Frau so liebte. Die meisten Nudelhölzer waren aus Buche oder Ahorn. Gute Holzsorten, fest und feinporig. Doch für seine Frau wollte er Eiche verwenden, denn dieses Holz war wesentlich beständiger, wenn es mit Wasser in Berührung kam.

 

Er wählte ein feines Stück, dass er für besondere Gelegenheit bereits vor einer Weile beiseitegelegt hatte. Nachdenklich betrachtete er das Holzstück vor sich auf der Arbeitsfläche. Es sollte nicht zu breit werden, damit Ännchen angenehm damit arbeiten konnte. Nach kurzer Überlegung sägte er die Länge zurecht und spannte den Block in seine Drehbank. Im Nu war aus dem Block ein länglicher Zylinder geworden. Jetzt kam der schwierige Teil. Er musste den Zylinder aushöhlen, damit dort die Achse laufen konnte, um die sich die Walze drehte. Doch der Tischler war geübt in der Holzbearbeitung. Nach einer Weile hielt er den ausgehöhlten Zylinder in die Höhe und machte sich daran, das Innere glatt zu schleifen. Der zweite Zylinder aus Eichenholz, den er an diesem Tag fertigte, war länger und viel dünner. Dies war die Welle. Er arbeitete hier sehr sorgsam, damit er auf seiner Drehbank nicht zu viel Material fort drechselte. Die Welle sollte leicht in der Walze liegen und es sollte dennoch nicht viel Spiel sein. An beiden Enden der Welle schnitt er ein Gewinde ein. Dort wollte er am Ende die Handgriffe befestigen. Die Griffe waren tropfenförmig mit einer kleinen Kugel als Abschluss. Sie lagen gut in der Hand, als er sie an die Welle schraubte. Zum Schluss polierte und ölte er das Nudelholz noch, bis die Maserung der Eiche golden glänzte. Mit einem Lächeln band Walter schließlich ein rotes Band um das fertige Küchengerät und versteckte das Geschenk sorgsam ganz hinten in seinem Werkzeugschrank, damit Ännchen nicht zufällig beim Aufräumen darüber stolperte. Nun konnte Weihnachten kommen.

 

Das Nudelholz
Das Nudelholz.pdf
Adobe Acrobat Dokument 96.8 KB