Weihnachten in Söderhamn

 

Draußen fielen leise dicke, weiße Schneeflocken zu Boden und bedeckten den bis vor wenigen Stunden noch matschig braunen Boden. Obwohl es erst kurz nach drei war, brannten schon überall in den Häusern die Lichter. Nur wenige Menschen waren noch auf der Straße unterwegs, als sich die Kommissarin Mette Viberg auf den Heimweg machte. Auf dem Polizeirevier der kleinen Stadt Söderhamn war alles ruhig gewesen. Sie hatten schon vor Wochen ausgehandelt, wer über die Feiertage Dienst schieben musste. Und obwohl Mette selbst eigentlich frei gehabt hätte, war sie doch für zwei Stunden hingefahren, um nach dem Rechten zu sehen. Allerdings gab es für sie nicht viel zu tun. Nur eine Beschwerde wegen zu lauter Musik von einer privaten Weihnachtsfeier war hereingekommen. Und dann einen Fall von häuslicher Gewalt. Doch die Kollegen von der Bereitschaft hatten das alles selbst klären können, so dass sie schließlich wieder nach Hause fuhr.

Die Kommissarin wohnte mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter am Stadtrand in einem kleinen Reihenhaus. Die Siedlung war noch ziemlich neu, entstanden in den reichen Jahren nach der Jahrtausendwende. Vorwiegend junge Familien lebten hier. Man sah es auch an der vergleichsweise üppigen Weihnachtsdekoration, die zum Teil schon amerikanische Ausmaße annahm. Die jüngeren hatten es nicht mehr so mit den althergebrachten Traditionen.

Mettes Mann Magnus hatte auch eine Lichterkette am Schuppendach angebracht. Aber ansonsten war die Dekoration bei den Vibergs eher traditionell: Ein grüner Kranz an der Tür und Kerzen und Strohsterne in den Fenstern anstelle von Lichterketten und Leuchtsternen.

Die Blumenrabatten im Vorgarten wirkten kahl und traurig. Doch der leise fallende Schnee bedeckte das hässliche Graubraun der vertrockneten Pflanzen und zauberte aus den kahlen Stängeln bizarre Weihnachtsgebilde. Mette war ganz froh darüber, denn dann fiel es nicht so auf, dass sie in diesem Herbst ein bisschen faul gewesen war und nicht viel im Garten gemacht hatte, bevor der Winter kam. Bis jetzt war vom Winter allerdings noch nicht viel zu merken gewesen. Selbst hier nördlich von Uppsala lag noch kein Schnee. Das war eigentlich ungewöhnlich. Aber vielleicht auch ein Zeichen des überall beschworenen Klimawandels.

Als Mette die Haustür aufschloss, hörte sie von drinnen schon Lachen und Gespräche. Ihre Schwiegermutter Monica war bereits da und half Magnus dabei, den Weihnachtsbaum zu schmücken. Da Monica nur eine kleine Wohnung besaß, waren sie sich schnell einig gewesen, das Fest bei Mette und Magnus zu feiern.

Aus der Küche roch es verführerisch nach Braten und Rotkohl. Ein wohliges Gefühl erfüllte Mette. Es war schön, nach Hause zu kommen und alle beisammen zu finden.

„Bin wieder da!“ betrat sie das Wohnzimmer, nachdem sie ihre Jacke ausgezogen und die Straßenschuhe weggestellt hatte. Dann blieb sie verdutzt stehen. In der Mitte des Raumes stand der wohl größte Weihnachtsbaum, der für ein Zimmer mit 2,20 Meter Deckenhöhe zu kriegen gewesen war.

„Was ist das denn?“

Ihr Mann Magnus strahlte sie begeistert an.

„Gefällt er dir?“

Der Baum war über und über mit Strohsternen, roten Zieräpfeln und goldgespritzten Tannenzapfen verziert.

„Äh … naja. Ging es nicht auch eine Nummer kleiner?“

„Draußen sah er nicht so groß aus“, gab Magnus belustigt zu. Er hatte den Weihnachtsbaum am Vortag zusammen mit einem Kollegen direkt aus dem Wald geholt.

„Na, jedenfalls ist er eindrucksvoll“, lachte Mette nur und hob ihre kleine Tochter auf den Arm, bevor sie noch die ganze Weihnachtsdekoration wieder von den Ästen pflücken konnte. Mit einem Jahr fand sie den geschmückten Baum im Wohnzimmer ungeheuer spannend.

Magnus warf einen Blick zur Uhr.

„Wir sollten mal langsam deine Großmutter holen fahren, sonst sind die anderen hier, bevor wir zurück sind.“

 

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