Der kleine Keksladen

 

Haapsalu ist eine nette kleine Stadt an der Ostsee. Es gibt einige Restaurants und Cafés für die Touristen, die vorwiegend aus Finnland kommen. Und es gibt einige Läden für Andenken und Kunsthandwerk, nicht anders als in vielen anderen Städtchen rund um den Globus. Doch eines hat mir Haapsalu unvergesslich gemacht. Ein Laden, in dem vor allem Kekse verkauft werden.

Wir waren auf dem Rückweg zum Campingplatz und schon ein wenig fußlahm und hungrig. Das Haus an der Hauptstraße war alt und aus Holz. Es unterschied sich kaum von den anderen rechts und links davon, außer dass es sonnengelb gestrichen war. Schon auf dem Hinweg hatte ich mich gefragt, was dort wohl für ein Geschäft drin sein mochte. Als wir auf dem Rückweg wieder die Straße entlang gingen, betraten gerade zwei Kinder den Laden und ich konnte kurz die Auslagen erkennen. Es war ein Bäcker, aber er verkaufte keine Brote und Brötchen. Nein. Dieser Bäcker hatte sich auf Kekse spezialisiert. Die Regale hinter dem Tresen und auch der Tresen und das Schaufenster waren voller Körbe mit Keksen. Bunte Kekse. Schwarze Kekse. Kekse mit Glasur. Längliche Kekse. Waffelkekse. Kekse mit Füllung. Ich konnte mich gar nicht sattsehen, an dem umfangreichen Angebot. Am liebsten hätte ich alle einmal gekostet.

 

Hinter dem Tresen stand eine ältere Frau und bediente zunächst die beiden Kinder. Sie war geduldig und wartete in aller Ruhe, bis die beiden Kleinen sich entschieden hatten, was sie für ihr Taschengeld kaufen wollten. Ein Keks hiervon. Zwei davon und dann noch eine Zuckerstange obendrauf.  Für die Kinder eine überaus wichtige, ernsthafte Angelegenheit. Ich schmunzelte verstohlen. Das hatte ich in dem Alter auch nicht anders gemacht.

Dann waren wir dran. Und plötzlich ging es mir ganz genauso wie den beiden Kindern. Ich wusste gar nicht, was ich nehmen sollte. Es sah alles lecker aus!

„Was willst du?“

Ratlos sah meine Schwester mich an.

Ich betrachtete begehrlich die schmackhafte Ware.

„Die da?“ deutete ich auf viereckige Plätzchen mit einem dunklen Schokoladenüberzug, in den ein altmodisches Wappen eingeprägt war.

„Oh ja. Gute Idee.“

Meine Schwester sah die Verkäuferin hinter dem Tresen an.

„In English?“

Doch die ältere Frau schüttelte hastig mit einem entschuldigenden Lächeln den Kopf. Die Hände unterstützten diese Geste noch. Meine Schwester überlegte kurz und deutete dann auf die besagten Kekse.

„Davon.“

Die Frau schmunzelte und füllte einige Kekse in eine Tüte. Dann sah sie uns fragend an.

Belustigt formte meine Schwester mit beiden Händen eine Schale, um die gewünschte Menge anzudeuten.

Die Verkäuferin verstand und amüsierte sich darüber, wie gut unsere Kommunikation auch ohne gemeinsame Sprache klappte. Sie verknotete den Beutel mit den Keksen und fragte uns etwas auf Estnisch. Vermutlich, ob wir noch einen Wunsch hatten. Meine Schwester deutete auf ein anderes Paar Kekse, längliche Waffelröllchen mit Haselnussfüllung, wie wir später herausfanden, als wir sie aßen.

Zum Schluss wählte sie noch ein paar große Kekse, die aussahen, als wären sie in der Mitte mit Eierlikör gefüllt.

Die Verkäuferin grinste breit und erklärte uns auf Estnisch etwas, das sie noch mehrmals wiederholte. Ich verstand „Alkoholi“ und sie mimte ein leicht beschwipstes Torkeln. Wir mussten lachen und auch die Frau amüsierte sich über unsere Begeisterung, denn natürlich wollten wir diese Kekse jetzt erst recht haben.

Die „Alkohol“-Kekse waren wirklich unwahrscheinlich gut. Ein Keks und man war für zwei Stunden satt! Aber auch die anderen Kekse schmeckten uns gut.

Es ist nur schade, dass es solche Läden bei uns nicht mehr gibt. Am meisten beeindruckt hat mich jedoch die Verkäuferin und die Erkenntnis, dass man sich überall auf der Welt prima verständigen kann, wenn man nur auf beiden Seiten ein bisschen Geduld und Fantasie mitbringt.