Der Fuchs in meinem Garten


Der Fuchs lag tot auf dem Randstreifen der Autobahn. Er war auf der Seite zusammengerollt, als würde er nur schlafen. Mein Herz tat mir weh, als ich ihn so daliegen sah. Was tun wir Menschen der Natur nur an, dass wir mit unseren Straßen solche Todesfallen für die Tiere bauen?

Fast jeden Tag sah ich ein überfahrenes Tier auf dem Weg zur Arbeit und es tat mir in der Seele leid.

„Wenn ihr die nicht wollt, dann schickt sie doch zu mir!“ fuhr es mir in hilflosem Zorn durch den Sinn. Diese Bitte war an niemanden direkt gerichtet. Und doch schien irgendwer sie vernommen zu haben, denn als ich kurz darauf das Tor zu meinem Garten aufschloss, huschte ein rötlicher Schatten unter die große Tanne neben dem Komposthaufen.

Ich hielt es zunächst für eine der vielen Katzen, die hier auf dem Dorf lebten und häufig durch meinen Garten streiften. Doch als ich kurze Zeit später am Abwaschen war und dabei durch das Küchenfenster hinausblickte, entdeckte ich den Fuchs, der wieder unter der Tanne hervorgekommen war und sich malerisch auf den Rasen gesetzt hatte. Es war noch ein junges Tier, mehr goldblond als rotbraun, mit schwarzen Beinen und einer schwarzen Schnauze. Still saß er da und blickte zum Küchenfenster herüber. Ich war verblüfft. Ein Fuchs in einem Hausgarten? Wie ungewöhnlich!

Als ich kurz darauf mit einer Schale Küchenabfällen zum Kompost ging, huschte der Fuchs wieder unter die Tanne. Mir war ein wenig mulmig zumute. Hoffentlich hatte der keine Tollwut. Aber er griff mich nicht an, sondern beobachtete mich nur neugierig. Ich warf ihm ein Stück Apfelschale zu, bevor ich wieder hineinging.

Mir gefiel der neue Gartenbewohner. Aber ich war doch sehr verblüfft, als ich tags darauf einen Turmfalken oben auf dem Spalierobst sitzen sah. Außerdem war noch ein Igel auf der Terrasse, der sich hastig unter die Hecke verzog, als ich meine Wäsche aufhängte.

Der Turmfalke und der Igel blieben ebenso, wie der Fuchs. Ich stellte dem Igel ein Schälchen Katzenfutter hin und legte ein paar Stückchen Gulaschfleisch für den Fuchs und den Falken aus.

Bald hatte ich drei Igel und zwei Füchse im Garten und über der Garage zog ein Waschbär ein. Der war süß, aber er machte nachts ganz schön Rabatz.

Doch erst, als auf meinem Rasen morgens ein ausgewachsenes Reh weidete, wurde ich wirklich stutzig. Ich hatte seit Wochen kein überfahrenes Tier mehr an der Autobahn gesehen. Die waren doch wohl nicht wirklich alle zu mir geschickt worden?

Die vielen unterschiedlichen Tiere schienen sich bestmöglich in meinem Garten aus dem Weg zu gehen. Ich begriff nicht, warum sie überhaupt blieben. Doch keines der Tiere schien meinen Garten je zu verlassen. Sie waren einfach plötzlich da und arrangierten sich. Mir war schnell klar, dass ich die ganze Angelegenheit irgendwie organisieren musste, sonst würden mir die Füchse noch die Igel fressen oder gar das Reh angreifen.

Jeden Morgen vor der Arbeit fütterte ich also meine neuen Mitbewohner. Die Füchse bekamen Hundefutter unter der großen Tanne, die Igel Katzenfutter auf der Terrasse, die Raubvögel (von denen es mittlerweile auch schon einige gab) erhielten Gulaschfleisch, das ich in die Astgabeln des Spalierobstes schob und das Reh bekam Heu und Kastanien in einer Raufe auf dem Rasen. Den kleinen Waschbären fütterte ich mit Hähnchenschenkeln, die er sich manierlich bei mir abholte.

Dann war eines Tages noch ein Wildschwein da. Es hatte sich genüsslich durch mein Gemüsebeet gegraben. Kartoffeln und Mohrrüben würde es dieses Jahr wohl keine mehr geben. Als dann auch noch ein Dachs, zwei weitere Füchse, fünf neue Igel und noch ein Waschbär bei mir auftauchten, wurde es den Nachbarn zu bunt.

Sie fanden den Gestank des Schweins und den Krach der Waschbären unerträglich und benachrichtigen den Tierschutz.

Aufrichtig erklärte ich dem Mann und der Frau, die bei mir vorstellig wurden, dass ich keine Ahnung hätte, wo die Tiere herkamen. Sie waren halt einfach irgendwann da.

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